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Bernd C. Meiser über: 50 Jahre Deep Purple "Made in Japan"


eine technische retrospektive von bernd c. meiser

Bis heute zählt für jeden Rock-Fan das Album „Made in Japan“ von Deep Purple zu den absoluten Highlights des klassischen Hardrock! Was heute genau vor 50 Jahren, am 17.08.1972, aufgenommen wurde, legte die Messlatte dieses Genre vor allem durch die live absolute gekonnte und schnörkellose Umsetzung des Studio-Materials in gigantische Höhen. Ritchie Blackmores gitarristische Höhenflüge sowie Jon Lords unnachahmliche Klangkollagen auf seiner Hammond-Orgel suchen in ihrer Eleganz und Verschmelzung bis heute noch ihresgleichen. 

 Über das Album "Made in Japan" wurde schon sehr viel in den verschiedensten Magazinen und Online-Portalen geschrieben. Aber über das bei „Made in Japan“ verwendete Equipment, insbesondere jenes von Blackmore, gibt es kaum gesicherte und detaillierte Informationen. Und genau das will ich am Jubiläumstag dieses großartigen Albums intensiv beleuchten.

(Bernd C. Meiser, am 17.08.2022) 

guitar

Ritchie Blackmore spielte damals meist eine recht neue Fender Stratocaster in Sunburst, für wenige Stücke auch eine neue in Schwarz. Diese hatten einen one-piece Maple-Neck und war größtenteils im Originalzustand. Die damalig in der Serie verwendeten Fender-Strat Pickups kann man am besten mit den Fender ´69 Custom-Shop Pickups von heute vergleichen, oder eben mit einem gleichwertigen Pendant eines anderen Herstellers. Deren relativ geringe Ausgangsspannung und Induktivität (5,7kOhm; 2,2H) ist wichtig für die Art der Tonabnahme und damit auch für den Sound dieser Gitarre. Denn die relativ geringe Ausgangsspannung legt den moderaten Übersteuerungs-Grad des Treble Booster fest, overwound Pickups klängen hier nicht mehr so klar und crispy. Auch die geringe Induktivität geht in die Resonanzfrequenz des sich ergebenden Systems Pickups <=> Treble Booster ein, eine höhere Induktivität ergäbe mehr Mitten.

Auch Jimi Hendrix spielte Pickups der gleichen Bauart in seinen Strats … diese Maschinen gewickelten Pickups mit staggered Magneten wurden von 1965 bis zum Herbst 1974 in alle CBS-Fender Stratocaster-Modelle eingebaut.

Der von Blackmore verwendete Tremolo-Arm seiner Sunburst war nicht nur überlang, sondern wies auch noch einen Durchmesser von mächtigen 1/4“ (= 6,35mm) auf. Nur mit solch einem opulenten Hebel ließen sich Ritchies intensive und massive Trem-Arbeiten bewerkstelligen. Last but not least darf natürlich das scalloped Ahorn-Griffbrett nicht unerwähnt bleiben, das Ritchie um 1971 für sich eingeführt hatte und fortan bei all seinen folgenden Strats spielte. 

booster & amp

Das Signal lief aus der Stratocaster durch ein ca. 16 m (!) langes Kabel in einen Treble Booster. Denn Blackmore brauchte auf der Bühne einen sehr großen Aktionsradius für seine „Spaziergänge“; selbst eine an die Bühne angrenzende Galerie wurde schon mal schwungvoll erklommen, um dort in erhöhter Position die Strat unehrenhaft zu bearbeiten. 

Sein Silizium Treble Booster stammte von dem Elektronik-Spezialisten Bill Hough. Die Hornby-Skewes Pedale, die Ritchie bis dato benutzt hatte, wiesen einige Unzulänglichkeiten auf, die Bill Hough in seinem Booster ausgemerzt hatte. Von diesem Booster ging es dann mit einem 6m langen Kabel in einen 200 Watt starken Marshall Major mit 4x KT88 Endröhren-Bestückung. 

Ritchies Marshall Major war schon früh in der Marshall-Fabrik auf einen Sound mehr in Richtung VOX AC-30 getrimmt worden. Zudem fand eine vierte Vorstufenröhre in einer sehr eigenwilligen Schaltung („Aktion geheime Kommandosache“) Verwendung, die Technik-Freaks zu enormen Spekulationen damals wie heute hinreißen lässt. 

Der Marshall Major liefert wegen seiner gewaltigen, so genannten Ultra-Linear Endstufe einen enorm druckvollen, detailreichen und absolut matschfreien Bass, und stellte damit eine ganz andere Klasse wie die üblichen, zeitgleich gebauten 100-Watt Marshall-Modelle dar. Wer es noch nicht weiß: Das ursprüngliche Konzept des Marshall Major entstammt einer HiFi-Schaltungsapplikation über KT88-Endröhren des Herstellers General Electric (GEC) bzw. MO-Valve. Es wurde lediglich der für Marshall typische Tone Stack integriert sowie eine Eingangsstufe vorgeschaltet. In Blackmores Amp kaskadierten die Marshall-Techniker zusätzlich die nicht benutzte Triode des Normal Channel zu dem eigentlich benutzten Brillant Channel hinzu. Diese Kaskadierung sollte etwas später für die dann eingeführte Master-Volume Serie Pate stehen, dem Modell 2203.

fazit

Ritchie Blackmores Equipment-Liste zu „Made in Japan“ liest sich auf den ersten Blick relativ spartanisch: Fender Stratocaster, Treble Booster, Marshall Major 200. Erst der Blick auf die Details der Gitarre und des Amps offenbart die speziellen Eigenschaften, die Ritchies Sound und Spielweise erst ermöglichten, und die beide so unnachahmlich werden ließen, dass sie für alle Zeiten das Hard-Rock Genre prägen.  

 

Zum Abschluss noch einige Hinweise auf einige Fake News, die sich hartnäckig bis heute gehalten haben. Ritchie Blackmore spielte bei den Aufnahmen zu „Made in Japan“ kein Echogerät. Also auch nicht die AIWA Bandmaschine, die er erst ab  dem Spätherbst 1973, zu Beginn der Deep Purple Mk3-Ära, verwendete. 

Auch hatten Blackmores Marshall Majors zu keinem Zeitpunkt sechs Endröhren, wie so manche Foren uns glauben machen wollen.

links


Über den autor

Bernd C. Meiser ist technischer Journalist und Mastermind der Firma BSM, für die er zahlreiche Effektpedale konzipiert und baut. Seine Spezialität sind Treble Boosterm, aber auch Drives und Fuzzes, die authentisch Rock-historischen Klangvorbildern folgen.

Ein Besuch der BSM-Homepage ist vor allem denen angeraten, die auf der Suche nach klassischen Rock-Sounds sind. 


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Kommentare: 2
  • #1

    Wolf (Samstag, 15 Oktober 2022 23:43)

    Wie immer ein Gedicht deine Beiträge…

  • #2

    Heinz Rebellius (Sonntag, 16 Oktober 2022 11:58)

    Danke für das Kompliment - das gebe ich gerne an Bernd C. Meiser weiter.