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Erst Rauchen, dann Spielen!


wie ein deutscher auf kuba den grundstein für das phänomen 'cigar box guitar' legte

Eine Gitarre, aus einer leeren Zigarrenkiste gebaut, war einmal das Instrument des ganz armen, meist schwarzen Mannes. Doch was damals recht erbärmlich rüber kam, liegt heute voll im Trend; vielmehr gibt es mittlerweile eine richtige Szene, die diesen rudimentären Instrumenten huldigt. Als musikalische Speerspitze der Cigar-Box-Bewegung gilt Seasick Steve, der kantige Kalifornier, der mehr oder weniger zufällig und auch eher unwillig mit seinem rauen Blues große Erfolge feiert. Und diesen Blues zelebriert der bärtige Latzhosenträger eben recht häufig auch auf einer Zigarrenkisten-Gitarre.

Doch natürlich gab es auch eine Zeit vor der Zigarrenkisten-Gitarre, und sogar eine Zeit vor der Zigarrenkiste. Und genau davon erzählt dieser Artikel...

Quelle: cigarren.org
Quelle: cigarren.org

Die ersten Zigarrenkisten-Gitarren wurden frühestens ab etwa 1850 gebaut, denn erst ab dieser Zeit begannen die Zigarrenhersteller, ihre Produkte in kleine Holzkisten zu verpacken. Der aus Deutschland stammende Zigarrenmacher Hermann Dietrich Upmann gilt als der Erfinder der Zigarrenkiste. Er, der kubanische Zigarren angeblich so sehr verehrte, dass er im frühen 19. Jahrhundert nach Kuba auswanderte, dort den Beruf des Zigarrenmachers lernte und mit seinem Bruder August eine Zigarrenfabrik gründete, verschenkte regelmäßig an seine besten Freunde köstliche Zigarren in kleinen, bedruckten Holzkisten. Und damit legte er unbewusst den Grundstein für eine regelrechte Zigarrenkisten-Euphorie - etwa 160 Jahre später...


Er ließ 1844 seine eigene Zigarrenmarke 'H. Upmann' registrieren, kam 1848 zurück nach Deutschland und gründete in Bremen die später weltberühmt werdende Firma Hermann Upmann & Co.; H.-Upmann-Zigarren kommen auch heute noch aus Kuba und zählen zu den bekannteren und geschätzteren Zigarrenmarken dieser Welt. Es geht das wunderbare Gerücht um, dass John F. Kennedy, kurz bevor er das US-Embargo gegen Kuba verhängte, seinen Pressesprecher beauftragt haben soll, 1000 Petit Upmann-Zigarren aus Kuba zu besorgen. Erst als Kennedy die Nachricht seines Pressesprechers erhielt, dass der Auftrag erfolgreich ausgeführt und die Upmann-Zigarren im Weißen Haus eingetroffen waren, soll er das Embargo unterzeichnet haben. 

Kennedys Zigarren kamen sicherlich auch gut verpackt in Holzkisten bei ihm an, denn eingeführt war diese Art der Verpackung bereits im 19. Jahrhundert, ebenfalls von Hermann Upmann. 1857 hatten er und Friedrich Wilhelm Gudewill die Schifffahrtslinie Gudewill & Upmann mit Sitz in Bremen gegründet, um der immer größer werdenden Nachfrage in Europa nach Upmann-Zigarren gerecht zu werden. Und verpackt wurden die edlen Rauchwaren damals in Zedernholz-Kistchen, um die Qualität der Zigarren auf dem langen Weg über den Atlantik zu sichern.

Wie eine ordentliche Zigarrenkiste auszusehen hat, entwickelte sich dann im Laufe der Jahre. Aber schon Herman Upmann ließ seine Zigarrenkisten mit einem Wappen bedrucken, dem einer Teilhaber-Bank seiner Firma. Dieser Stil der Verzierung hatte sich schnell etabliert, sodass nur höchst selten Zigarrenkisten ganz ohne Aufdruck oder schmückende Aufkleber auskommen. Vielmehr haben die einzelnen Stilmittel zur Verzierung einer Zigarrenkiste über die Zeit exakte Bezeichnungen bekommen, wie z. B. Cubierta für die Verzierung, die sich in der Mitte des Kistendeckels befindet. Oder Vista, die Verzierung, die sich auf der Innenseite des Deckels befindet. Filetes heißen hingegen die verzierten Papierstreifen, die an den äußeren Kanten angebracht sind und die die Kiste versiegeln. Meist geben zudem Aufschriften auf den Zigarrenkisten Informationen über die Herkunft, die Art und den Produktionszeitraum der Zigarren. Daneben existieren Fabrikcodes, mit denen die Herkunft von Zigarren genauer bestimmt werden kann. 

ZigarrenkistenInstrumente - die Anfänge

Das National Cigar Box Museum im amerikanischen York/PA meint, dass der erste Beweis der Existenz eines Zigarrenkisten-Instruments eine Skizze darstellt, die im Civil War angefertigt worden war und die einen Soldaten zeigt, der eine Zigarrenkisten-Geige spielt. (siehe Bild rechts)

 

In dem ‚American Boy´s Handy Book’, das 1890 veröffentlicht wurde, befand sich dann bereits eine Bauanleitung für ein Zigarrenkisten-Banjo und es dauerte nicht mehr lange, bis alle möglichen Saiteninstrumente mit einem Korpus aus einer Zigarrenkiste gebaut wurden.

Der erste Nachweis über ein Cigar Box Instrument
Der erste Nachweis über ein Cigar Box Instrument

Vor allem im Süden der USA hatte damals kaum einer das Geld für richtiges Instrumentarium. So waren vor allem die Jug- und Blues-Bands mit Cigar-Box-Instrumenten ausgestattet und formten zusammen mit dem Besenstiel-Bass und Mundharmonika den typischen Jug-Sound.

In den Zeiten der amerikanischen Depression in den Dreißiger Jahren erlebten die Cigar Box Guitars, Fiddles und Banjos ein starkes Revival und unzählige, meist schwarze Musiker spielten sich den alltäglichen Blues auf diesen Instrumenten von der Seele. 

Nicht wenige der Musiker, die später einem weltweiten Publikum bekannt wurden, begannen ihre ersten musikalischen Schritte auf einer Cigar Box Guitar. Hier einige Beispiele:

  • Blind Willie Johnson bekam im Alter von fünf Jahren von seinem Vater eine einsaitige Cigar Box Guitar gebaut. Seine außergewöhnliche Slide-Technik hat genau da ihren Anfang genommen.
  • Lightin´ Hopkins baute sich selbst eine Cigar Box Guitar und begann so, Gitarre zu spielen.
  • Der große Jazz-Gitarrist Charlie Christian spielte seine ersten Töne auf einer selbstgebauten Zigarrenkisten-Gitarre
  • Der siebenjährige Carl Perkins bekam von seinem Vater eine zweisaitige Cigar Box Guitar mit Besenstiel-Hals. Die Saiten waren dabei aus einfachem Runddraht.
  • Jimi Hendrix´ Zigarrenkisten-Gitarre hatte dagegen Saiten aus Gummi...
  • George Benson, der achtfache Grammy-Gewinner, startete seine Karriere als „Little Georgie Benson, the Kid from Gilmore Alley“, der an den Straßenecken mit seiner Cigar Box Ukulele aufspielte.
  • Country-Gitarrist Roy Clarks erstes Instrument war eine Gitarre aus einer Zigarrenkiste und einem Ukulele-Hals.
  • Albert King spielte ab seinem sechsten Lebensjahr verschiedene einsaitige Cigar Box Guitars.
  • Hound Dog Taylor, Big Bill Broonzy, Buddy Guy, Louis Armstrong (!), Pee Wee Crayton und viele andere haben als Kinder oder Jugendliche in Ermangelung richtiger Instrumente auf Zigarrenkisten-Gitarren gespielt – und ihrer Karriere scheint es nicht geschadet zu haben.

 

Ein komplettes Cigar Box Orchester
Ein komplettes Cigar Box Orchester
Micky und sein Cigar Box Cello
Micky und sein Cigar Box Cello

konstruktion

Die meisten Zigarrenkisten werden auch heute noch nach wie vor aus Zedernholz gebaut, denn dieses Holz verhindert, dass die Zigarren austrocknen und fördert zudem eine nachträgliche Reifung. Außerdem hält sein typischer Geruch Insekten fern.

Der meistens attraktiv beklebte Deckel liegt oben  und stellt praktisch die Decke der Gitarre dar. Der Hals ist mit einfachen Schrauben auf einen kleinen Querbalken geschraubt ist, der eingeleimt ist und die eine Seite der Kiste von innen verstärkt; auf der anderen befindet sich meist ein ähnlicher Balken, an den die Saitenhalterung geschraubt ist. So einfach kann Gitarrenbau sein!

Die meisten Gitarren hatten Hälse ohne Bünde, manche sogar nur einen Besenstiel, eine Latte oder ähnliches und wurden mit einem Slide gespielt - da spielte die Saitenlage auch keine Rolle, es sei denn, sie war aus Versehen zu flach geraten. Eine Cigar Box Guitar wird denn folgerichtig auch meistens in einer offenen Stimmung gespielt. 

heute

Längst spielen heute auch die Ärmsten der Armen nicht mehr auf solch charmanten Behelfs-Instrumentarien, sondern auf Fernost-Importen im Stil westlicher Klassiker. Dafür haben sich sogar hierzulande Firmen auf den Bau von Zigarrenkisten-Gitarren spezialisiert - für Musiker, die sich nicht mehr behelfen müssen, sondern diese Instrumente konkret wegen ihres Klanges und ihrem Charme spielen wollen. Ein gutes Beispiel ist Darik Förster, der leidenschaftlich Cigarbox-Guitars bauen - auch spezialisiert auf Kundenwünsche. Seine Angebot findet man auf cigarbox-guitars.de.

Bei den großen Anbietern im Netz gibt es zudem viele Angebote, vermutlich aus fernen Ländern, wie die äußerst geringen Preise vermuten lassen. Vielleicht auch gut, wenn man der Faszination Cigarbox Guitar bei sich selbst nicht ganz traut und zum Kennenlernen ein solches Billigprodukt probiert, um dann später bei gestiegenen Ansprüchen auf ein gekonnt gebautes Unikat umzusteigen.

 

Bei all den heute gebauten Zigarrenkisten-Gitarren werden keine originalen Zigarrenkisten mehr verwendet, sondern passende Kisten aus was für Holz auch immer gebaut. Wer sich selbst allerdings eine dieser Instrumente bauen will - und das ist nicht schwer -, sollte im Netz nach leer gerauchten, echten Zigarrenkisten Ausschau halten - oder sich selbst eine Kiste H. Upmann gönnen und - selbst ist der Mann - selbige leer rauchen. Denn nur dann ist eine Cigar Box Guitar eine richtige Cigar Box Guitar, wenn die Kiste nach dem unvergleichlichen Geruch von Zedernholz und Zigarren riecht.

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