real Work-Life Balance
Eine Tele gehört doch immer irgendwie dazu. In jeden Gitarren-Haushalt. Sagt man. Das Arbeitstier, die bessere Les Paul, die Urmutter, der Country-Sound, bla bla bla. Aber wie oft begegnet einem als normaler Musiker - also nicht als Händler oder Sammler - eine RICHTIG GUTE Tele? Eben... da wird die Luft dann plötzlich sehr dünn. Aber - diese Teles gibt es, natürlich auch in der Jetztzeit. Wie diese hier es beweist, über die es im Folgenden geht. Nicht nur, dass sie richtig gut ist, sondern sie hat mich zudem über meine Sicht auf die E-Gitarre aufgeklärt. Wie das?
Meine - historisch gesehen - Lieblings-Tele war immer die Fender Broadcaster. Schon allein deshalb, weil sie nicht Telecaster hieß. Die Broadcaster ist die Ur-Tele, und diese frühen Jahrgänge verkörpern wie kaum eine spätere Generation den ursprünglichen Charakter dieser E-Gitarre, die die Gitarren- und Musikwelt damals auf den Kopf stellte. Die radikal pragmatisch einfach aus dem Lapsteel-Format heraus entwickelte E-Gitarre ermöglichte es, in hohen Lautstärken zu spielen, ohne dass es dröhnte oder pfiff. Und schon konnte der Rock'n'Roll kommen....
Im Vergleich zu den traditionellen Bauweisen, die Gibson, Epiphone, Gretsch & Co. bevorzugten, war eine Esquire, Tele- oder Broadcaster supereinfach herzustellen und zu reparieren.
Eine Fender Broadcaster lässt für mich an eine alte Levis 501, einen Land Rover Defender, eine Boxer-BMW oder eine alte, offene Harley denken - sie hat ebenso diesen sehr, sehr ursprünglichen Charakter, der gleichzeitig Minimalismus und Reichtum (in den wirklich wichtigen Werten) verspricht.
Neue Broadcaster kann man nicht mehr kaufen, denn Gretsch hat Fender damals schon die Verwendung dieses Namens untersagt, da sie ein Gretsch Schlagzeug namens Broadkaster im Katalog hatten. Deshalb wurde aus der Broad- die Telecaster.
Alte Broadcaster bewegen sich nur noch auf Sammler-Territorium, da finde ich keinen Zugang dazu. Also blieb als nur die Wahl, es nochmal mit einer Partscaster zu versuchen. In der Hoffnung, dass alles gut zusammenpasst und das Endprodukt am Ende auch so spielt und klingt, wie es soll.
Und ja: Dies war ein guter Plan!
Vorab: Auf Twangtone®-Gitarren, die ich behalte und selbst spiele, verwende ich das Fender-Logo, weil es für mich zum Gesamterscheinungsbild einfach genauso dazu gehört wie z. B. die Steg-Platte, das Control-Panel etc.. Auf die Rückseite habe ich mein Twangtone®-Logo untergebracht, das zeigt, wo die Gitarre tatsächlich herkommt.
Also wurde als Erstes ein Broadcaster-Logo bestellt, und dann fügten sich im Lauf der Zeit die anderen Parts wie ein Puzzle zu einem perfekten Gesamtbild.
Die Ingredienzen dieser Broadcaster sind wie folgt:
- Body aus Sumpfesche mit Früh-50er Specs von 2016, die der Hersteller (guitarbuild.uk) so beschreibt: "Vintage spec TC this body has been made EXACTLY to match the original early 1950's TC. All routs match the original even the neck router hump and neck pocket lip that was present until 1956."
- Nitro-Lackierung in Butterscotch von Bravacaster (Spanien)
- one-piece maple neck von Hosco/Japan mit Vintage specs
- Häussel T Broad B am Steg, den der Hersteller so beschreibt: "Der TE-Broad BridgePU ist eine Replik des Ur-Tele Bridge-PUs mit den typischen Alnico3-Magneten und der ca. 25% stärkeren Wicklung. Dadurch hat er der typischen 50-er Telesound, voll, rund, nicht zu spitz in den Höhen, dennoch mit viel Twang."
- Häussel T Broad N am Hals, das Pendant zum T Broad B, mit Neusilber-Kappe
- T-Tune Brücke mit Alu-Böckchen für E6- und A5-Saiten (was natürlich eine Abweichung von einer Original-Broadcaster darstellt.)
- CTS-Potis und CRL-Schalter
- Kluson Deluxe Double-Line Mechaniken
- runder Stringtree
- überall Schlitzschrauben
- Gewicht: 3,1 kg
Wenn ich besonders "picky" mit etwas bin, dann überlasse ich das Assembling lieber einem ausgewiesenen Fachmann. Der war in diesem Fall wieder J TAR Guitar Tech in Person von Martin Trompf, der in Kiel zuhause ist. Da ich öfter in die Nähe von Kiel an die Ostsee fahre, habe ich die Gelegenheit genutzt, diese Gitarre persönlich abzuholen. Von Laboe aus bin ich per Fähre rüber zur Festung Friedrichsort geschippert, in der Martin seine Werkstatt hat. Drei Gitarren wurden mir bisher dort zusammengebaut, und zwar so gut, dass es keinen Grund gibt, es selbst zu tun. Gitarre abholen, bei schönem Wetter in der Deichperle noch etwas essen und über Gitarren, Gott und die Welt zu plaudern - gibt es etwas Besseres?
Ich denke, dass man dieser Gitarre ansieht, wie sie klingt - oder? Breit, sehr dynamisch, ausgesprochen tief (= dreidimensional), mit einem fetten Attack und nie schrill-spitzen Höhen.
Ich muss zugeben, dass ich dieser Broadcaster lange zu wenig Beachtung geschenkt habe, weil sich andere Gitarren in den Vordergrund geschoben hatten. Die Broadcaster hat - und das ist das, was ich oben ansprach, als ich sagte, dass diese Gitarre mich etwas gelernt hat - geduldig diesem Treiben zugesehen; das Springen von der einen Strat zur anderen, dann gar diverse Ausflüge in Semiakustik-Territorien, immer auf der Suche nach Tiefe, nach Einheit und Vollkommenheit. Geduldig hat die Broadcaster auf ihre Stunde gewartet.
Und ja, diese Stunde kam - seitdem hat sich der Nebel aufgeklart und nach all dem Irren und Wirren der jüngeren Vergangenheit ist mir offensichtlich geworden, was mir bei einer Gitarre eigentlich wichtig ist, und was nicht. Diese Broadcaster hat mich das gelehrt, indem sie genau diese für mich wichtigen Eigenschaften mitbringt: Geringes Gewicht, große Resonanzfreude, nicht zu dicker Hals, gerne mit leichtem V-Profil, gute Spielbarkeit, Stimmstabilität und eine große Sensibilität und Dynamik, um das wiederzugeben, was ich durch mein Spiel in sie hinein gebe. Ohne spürbare Verluste. Andere Features wie z. B. Mensur, Bauweise und sogar der Grundsound erscheinen mir dagegen längst nicht mehr so wichtig, denn eine solch gut funktionierende Gitarre bekommt man immer zum Klingen... Ach ja, und die Ergonomie muss natürlich auch stimmen, weshalb z. B. Les-Paul- und SG-Typen mittlerweile uninteressant sind, obwohl ihre Sounds betörend sein können.
Und ja, diese Erfahrung mit der Broadcaster lässt sich durchaus auf das Leben im Allgemeinen übertragen. Denn wenn deine Stunde gekommen ist, wirst du der Welt schon zeigen, was in dir steckt.
Diese Twangtone® Broadcaster ist eine Gitarre für´s Leben und deshalb eine mehr als würdige Number One in meinem Haushalt.
Und warum eine gute Tele, Esquire oder Broadcaster genau die richtige Gitarre sein kann, das erzählen diese Videos:
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