Der Klang der Nord


wie der vfl osnabrück 2010 zu einer eigenen gitarre kam

Die Fußballwelt in und um Osnabrück war 2010 nicht nur in bester Ordnung, sondern befand sich in einem geradezu euphorischen Ausnahmezustand. Nicht nur, dass der VFL Osnabrück die tristen Welten der 3. Liga mit einem souveränen Aufstieg hinter sich lassen konnte, sondern auch zwei lokale Aktionen hatten diesen sportlichen Erfolg begleitet und ihm zu richtig Glamour verholfen.

Da erschien zum einen Anfang Mai 2010 die CD "Wir sind der VFL – der VFL ist Osnabrück", auf der nicht weniger als 26 Osnabrücker Musikformationen die Vereinshymne des VFL interpretieren. Eine sehr kurzweilige CD mit Stilistiken zwischen Symphonie-Orchester und Hardcore-Türkrock, Kaffehaus-Musik und Country, Plattdeutsch-Acappella und Italo-Tarantella u.v.m.. Und dann tauchte zu allem Überfluss mitten im lila-weißen Jubelchor auch noch eine in den Vereinsfarben Lila-Weiß lackierte Flying V auf...

Die Tauschware aus der Nord. Die Währung: eine Kiste Herforder.
Die Tauschware aus der Nord. Die Währung: eine Kiste Herforder.

Dabei hatte ich weder den Aufstieg des VFL noch diese CD im Sinn, als ich im Herbst 2009 folgende Kleinanzeige im lokalen Veranstaltungsmagazin Stadtblatt las: „Tausche vier Bohlen aus der Nord gegen eine Kiste Herforder.“ Der Begriff "Nord" ist Osnabrücksch und bezeichnet die so genannte Nordkurve des VFL-Stadions. Dass diese Nordkurve eigentlich keine Kurve, sondern die Gegengerade zur Haupttribüne war, ist die Insider-Pointe dieser Namensgebung.

Mit Brian May, Bob Taylor und Bob Benedetto im Sinn und einer Kiste Herforder im Kofferraum fuhr ich zur angegebenen Adresse und machte dort den Deal klar. Denn ich wollte aus diesem Bier- und Regen getränkten Stadionholz eine VFL-Gitarre bauen lassen! Dass man aus gewöhnlichem Bauholz hörenswerte Instrumente bauen kann, haben die drei erwähnten Berühmtheiten ja bewiesen – Brian May hat seine Red Special aus dem Holz einer Kaminumrandung gebaut, während Bob Taylor aus Paletten- und Bob Benedetto aus billigem Bauholz Aufsehen erregende und bestens funktionierende Gitarren schufen.

Das Design der zukünftigen VFL-Gitarre lag auf der Hand – es musste eine Flying V sein – V wegen VFL, Flying wegen VFL. Außerdem passt dieses aggressive Design einfach perfekt zur Dynamik einer guten Fußballmannschaft. Als Gitarrenbauer konnte ich Frank Deimel gewinnen, damals noch in Berlin ansässig (www.deimelguitarworks.de). Ich wusste, dass Frank auf solche kruden Ideen steht, und ich hatte Recht: Frank sagte zu! Geld ist übrigens keines geflossen, sondern Blut. Denn dass er im Laufe der Arbeit eine Fingerkuppe opfern würde, war natürlich so nicht eingeplant gewesen... 

Bei der Konstruktion setzte Frank auf einen durchgehenden Hals, der aus drei miteinander verleimten Bohlenstücken gebaut wurde. An die wurden die seitlichen Flügel für den Korpus und die Kopfplatte angeleimt – das Gibson-Original sollte in allen Maßen und Dimensionen zu 100% kopiert werden. Ehrlich gesagt waren wir nicht sicher, wie solch ein Holz dann letztendlich klingen würde, und auch, wie stabil es sich verhalten würde. Deshalb auch die dreifach verleimte „Centerbeam“-Methode. Ein hartes Ebenholz-Griffbrett versprach zusätzliche Stabilität, ebenso wie das recht kräftige Halsprofil. Statt der Gibson- entschieden wir uns für die längere Fender-Mensur, um der Gitarre mehr Druck und Transparenz zu geben. Ein Tonabnehmer sollte reichen, und das musste ein kräftiger Rocker sein. Wir entschieden uns für den Tonerider Rocksong, der immerhin satte 12,5 kOhm in die Waagschale werfen kann. Ein Volume-Poti dient zur Zähmung, mehr braucht eine VFL-Gitarre nicht. So hat denn auch diese Gitarre das kleinste E-Fach der Gitarrenwelt bekommen, stilvoll abgedeckt mit einem platt geklopften Herforder Kronkorken, der sich auch an der Klinkenbuchse, über dem Stahlstab-Zugang und auf dem Volume-Poti wiederfindet. Herforder war der Hauptsponsor des VFL Osnabrück, deshalb diese auf den ersten Blick etwas einseitig anmutende Kronkorken-Auswahl. 

Der Bauplan
Der Bauplan
Frank Deimel beim Auspacken des Stadionholzes
Frank Deimel beim Auspacken des Stadionholzes
Der Rohling von vorne...
Der Rohling von vorne...
...und von hinten!
...und von hinten!

lila weiß

Natürlich musste die Gitarre in den Vereinsfarben Lila-Weiß lackiert werden, als Vorbild für das Lack-Design dienten uns die schwarz-weißen Gibson Flying Vs von Michael und Rudi Schenker. Nur die Rückseite der beiden Korpusflügel beließen wir in Nordkurve-Natur; Frank versiegelte diese mit einem Mattlack und beließ allen Schmodder da, wo er war. Hier und da weist das grobe Kiefernholz Astlöcher auf, ein kleines wurde mit einem Original-Nordkurven-Nagel verschlossen, die anderen wurden einfach so belassen, wie sie sind.

Live

Der Bau lief ohne Komplikationen ab, sieht man einmal von dem kleinen Unfall ab, bei dem sich Frank einen Teil der Fingerkuppe abgesägt hatte. Nun hatte doch tatsächlich neben dem Schweiß und den Tränen aus dem Stadion auch noch Berliner Blut dieses besondere Holz patiniert. Pünktlich zu den grandiosen Aufstiegsfeiern und der Osnabrücker Maiwoche, einem 10 Tage dauernden Straßenfest mit sehr vielen Live-Bands, war die Gitarre vor Ort und wurde von mehreren Bands dort eingesetzt. Alle Gitarristen zeigten sich erstaunt bis begeistert über die spielerischen und klanglichen Qualitäten dieser Stadionholz-Gitarre. 

Im VFL-Stadion (Foto: Manfred Pollert)
Im VFL-Stadion (Foto: Manfred Pollert)
Die Feuertaufe auf der Maiwoche 2010
Die Feuertaufe auf der Maiwoche 2010

Doch was wurde nun aus der Gitarre?

Von Anfang an war mir klar gewesen, dass ich dieses Instrument nicht behalten wollte. Vielmehr wünschte ich mir, dass ein Gönner des VFL Osnabrück oder der Verein selbst das Instrument erwirbt und ins Vereinsmuseum überführt. Denn da gehört sie hin. Und so kam es dann auch!

Die Flying VFL im Museum des VFL Osnabrück
Die Flying VFL im Museum des VFL Osnabrück

 Aber bevor sie im Museum verschwand, wurde der VFL Guitar noch eine besondere Ehre zuteil; denn sie war Mittelpunkt eines Foto-Shootings mit Helmut Kemme, Osnabrücks bekanntestem Sportfotograf, im VFL Stadion. Die vier Bilder der hier folgenden Fotostrecke stammen alle von Helmut.

Aufstieg kann so schön sein!
Aufstieg kann so schön sein!

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