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#6: Twangtone® 'Fender' Jazzmaster

Coming home

Dass dieses Projekt am Ende tatsächlich so gut auskommt, hätte ich mir im Verlauf seiner Entwicklung nie träumen lassen. Denn von der Planung bis zur Fertigstellung dauerte das Unterfangen rund drei Jahre und musste einige unerwartete Hindernisse in Kauf nehmen. Diese 'Fender' Jazzmaster trägt in sich immerhin Reisen aus Russland, Frankreich, Griechenland und USA bis hin nach Deutschland, wo sich ein weiteres Spinnennetz mit den Ausgangspunkten Hannover, Düsseldorf, Obrigheim in der Pfalz über Osnabrück bis hin nach Kiel über dieses Projekt spannte...

Seit vielen Jahren war ich auf der Suche nach einer guten Jazzmaster. Auf dieser Suche hatte ich viele angespielt, und genauso viele wieder aus der Hand gelegt. So richtig gut haben mir nur alte Jazzmaster aus den frühen 1960er Jahren gefallen, aber soviel Geld wollte ich doch nicht ausgeben. Wie immer, wenn mir solches oder ähnliches passiert, denke ich über das partscastern nach - also eine Gitarre aus vorgefertigten Parts zu bauen oder bauen zu lassen, deren Features ich selbst vorgebe. Und als ich dann eines Tages auf einer Online-Plattform über einen unbehandelten Jazzmaster-Korpus aus einem Stück Sugar Pine stolperte, schlug ich einfach zu. Der Hersteller des Bodys sitzt in Russland, sein Name war mir komplett neu und obwohl man die Qualität von Holz eigentlich nie anhand seiner Darstellung im Netz erkennen kann, hatte ich ein gutes Gefühl. Zwei Wochen später kam der Body an - und das gute Gefühl wurde bestätigt - ein leichter Body, nicht so leicht wie z.B. Paulownia, aber immer noch klar unter 2 kg. Das versprach eine Gitarre mit einem Gesamtgewicht von ungefähr 3 kg, was mir sehr gut gefällt, insbesondere bei Fender-type Gitarren. Die Basis für das Twangtone® Jazzmaster-Projekt war gelegt...

mehr parts

Die restlichen Parts habe ich im Laufe der folgenden zwei Jahre zusammen getragen. Wie immer in solchen Fällen suche ich nicht aktiv nach ihnen, sondern lasse sie mich finden. Einen recht guten Strathals mit großer Kopfplatte hatte ich noch in meinem Lager liegen, aber alles andere musste noch ergänzt werden. So bot mir ein Mitglied der OFFSET GUITAR BOARD Facebook-Gruppe eine gebrauchtes, anodisiertes Pickguard an, das perfekt zu der geplanten Farbgebung Vintage White passt. Von einem anderen Mitglied dieser aktiven Gruppe bekam ich das Fender JM Tremolo, das bereits die StayTrem Halterung für den Arm installiert hat. Das ist eine wirklich sinnvolle Ergänzung, denn in dieser Halterung sitzt der Arm fest drin und schlackert nicht hin und her.

Ein wichtiger Teil jeder Jazzmaster ist natürlich die Brücke - denn im Original ist dieses Bauteil nicht unumstritten. Die Gründe dafür möchte ich hier nicht diskutieren, nur so viel: Es macht absolut Sinn, nach einer guten Alternative zum Original Ausschau zu halten. Und die habe ich beim griechischen Hersteller Halon gefunden (Link weiter unten in der Liste der Features), der eine wunderbare Brücke baut. Sie ist fixiert, floated also nicht mehr und hat drei fette Messing-Saitenreiter á la Tele mit Kerbungen, die tief genug sind, dass die Saiten nicht rausspringen können. Nicht ganz billig, aber gut, und richtig schick, wie ich finde.

Bei den Pickups wurde ich zufällig bei Palatine aus der Pfalz fündig. Ich sprach mit Daniel Häfele über seine Strat-Pickups, und wir kamen im Zuge dessen auch auf das Thema Jazzmaster zu sprechen - mit dem Ergebnis, dass ich einen Satz Scheurebe orderte - Vintage-konfigurierte Jazzmaster Pickups. Palatine sitzt in der Pfalz, daher der Bezug zum Wein im Namen dieser Pickups.

Die Mechaniken mussten natürlich Klusons sein, weil ich aus nächster Nähe weiß, wie gut diese Mechaniken sind.

Noch ein paar Elektronik-Parts, und das Paket, aus dem eine Jazzmaster werden sollte, war ready to go - denn ich kam mit einem Gitarrentechniker und -bauer aus Düsseldorf ins Gespräch, der ein Meister von Relic-Lackierungen sein sollte, und der sich anbot, mir aus den Einzelteilen eine fertige Jazzmaster zu bauen...

Irrfahrt

Einmal in Düsseldorf angekommen, wurde der Body schnell lackiert - in einem wunderbaren Vintage-White und, wie ich finde, mit einem sehr geschmackvollen Aging. Leider passte der mitgelieferte Hals wegen seines Strat-Halsfußes nicht exakt auf meinen Jazzmaster-Body, denn der russische Kollege hatte diesem eine Tele-style Halstasche verpasst... Jetzt suche du mal einen Jazzmaster-Hals mit einem Tele-artigen Halsfuß auf dem Replacement-Parts-Markt...den gibt es nicht...

Der Gitarrenbauer wollte sich aber darum kümmern, für einen korrekten Preis einen Hersteller zu finden, der ihm den Hals genau so baut, wie es dieses Projekt erfordert, und wurde tatsächlich in Frankreich fündig. Der Hals ist wunderbar, hat ein Soft-V-Profil bekommen, wie ich wollte, und ist matt in Nitro lackiert. Und passt genau in den russischen Body. Soweit also alles prima - und dann hörte ich plötzlich nichts mehr von dem Gitarrenbauer. Über Dritte erfuhr ich, dass er sein Business geschlossen hatte und erstmal nicht zu erreichen war. Irgendwann, viele Messages und Mails später, habe ich dann die Antwort bekommen, dass er mir meine Parts zeitnah zurückschicken wollte. Aus Zeitnah wurde zwar Zeitfern, aber ich denke mal, dass ihm die Gesamtsituation tatsächlich ein paar Fallstricke gelegt hatte, und so überwog dann doch die Freude, als ein Paket aus Düsseldorf bei mir eintrudelte - mit einem wunderbar lackierten Body, einem tollen Hals und komplett mit allen anderen Parts. Falls Du diese Zeilen lesen solltest, lieber Gitarrenbauer: Danke nochmal für Deine Bemühungen, ich weiß sie zu schätzen. Den ärgerlichen Rest schreibe ich einfach den schwierigen Umständen zu und der ist auch schon längst vergessen.  

hoch im norden

Während meiner Arbeit für göldo music hatte ich einen Gitarrentechniker und -bauer aus Kiel kennengelernt, Martin Trompf von JTAR. Er war unser Kunde, d.h. er bezog Gitarrenteile von göldo für seine Service-Arbeiten und den Bau eigener Gitarren, die unter dem Namen Falckenstein Custom Guitars firmieren. Hier geht es zur Website dieser feinen Gitarren!

Auch nach meinem Abschied von göldo (2021) sind wir locker in Kontakt geblieben, meist, wenn es um irgendwelche Themen rund um alte Gitarren ging. Jetzt, als ich vor dem geöffneten Paket aus Düsseldorf saß und sinnierte, wie es mit dem Jazzmaster-Projekt weitergehen sollte, kam mir Martin Trompf in den Sinn - und kurzerhand rief ich ihn an und fragte, ob er Zeit und Lust hätte, sich dieses Projektes anzunehmen. Beides traf zu, und da sein Angebot auch absolut realistisch war, schickte ich ihm die Parts zur Fertigstellung der Gitarre zu.


Da wir rund drei Wochen später einen Urlaub an der Ostsee eingeplant hatten, hatte ich natürlich den Gedanken im Hinterkopf, die Gitarre auf der Rückfahrt gleich mit nach Hause zu nehmen. Falls Martin die Zeit findet, sie rechtzeitig fertigzustellen. Lange Rede, kurzer Sinn: Genau das klappte! So fuhr ich einen Tag vor unserer Rückreise mit der Fähre von Laboe an den Strand von  Falckenstein, wo Martins Werkstatt mitten in der Seefestung Friedrichsort ist, ein sehr beeindruckendes Gebäude in einem tollen Landstrich unmittelbar am Wasser der Kieler Förde mit ihrem sensationellem Strand.

Martin hat wirklich ganze Arbeit geleistet und aus den einzelnen Parts ein homogenes Ganzes gebaut, bei dem einfach alles stimmt: Saitenverlauf, Halswinkel, Haptik, Spielbarkeit, Sound und natürlich - das sieht man ja auf den Bildern - auch die Optik.

Da ich auf den zweiten Schaltkreis, den man vom Original her kennt, verzichten wollte, haben wir einen Schiebeschalter dafür abgestellt, die beiden Palatine-Pickups in Serie schalten zu können, für einen fetteren Sound. Die Ausfräsungen für die beiden von mir nicht gewollten Regler wurden mit einer dünnen roten Pappe unterlegt, die übrigens von der Verpackung der verwendeten, originalen Fender Neckplate stammt :-). Ein schönes Gimmick, wie ich finde.

back home

Ich bin sehr glücklich mit dieser Gitarre, die all das verkörpert, was eine gute Jazzmaster darstellt: Gute Spielbarkeit, ein weit offener Sound, ein geschmackvoll arbeitendes Tremolo-System, und insgesamt eine Gitarre, die rundum auf allen Ebenen "passt". Und die deshalb eine absolut würdige Ergänzung meiner Number-One-Serie ist.

 

Im Folgenden möchte die Features dieses Projektes auflisten und Links zu den einzelnen Firmen, sofern ich sie ermitteln konnte.

Mein Dank geht raus an Martin Trompf, Wilfried Fröhlich, Daniel Häfele, Halon Guitarparts und den besagten Gitarrenbauer aus Düsseldorf sowie die beiden Hersteller von Body und Hals, die alle ihren Teil dazu beigetragen haben, dass diese Gitarre so ist, wie sie ist.

epilog

Eigentlich sollte dieser Artikel mit dem Bild oberhalb zu Ende sein, aber gewisse Ereignisse wollen nur kurz angesprochen werden. Denn als ich Bilder von dieser Jazzmaster auf meinen Kanälen postete, gab es neben vielen positiven Rückmeldungen auch einige, die mich auf üble und beleidigende Weise der Fälschung, des Plagiatentums und der Großkotzerei (O-Ton...) bezichtigten - weil ich auf die Kopfplatte das originale Fender Logo verwendete. Auch meine Erklärung, dass dies durchaus legal sei, weil ich die Gitarre ja nicht zum Verkauf anbiete, und der Hinweis, dass das Fender-Logo zu einer Replik für mich genauso dazu gehört wie z. B. das Jazzmaster-Tremolo oder die Jazzmaster-Pickup-Form konnte die Beleidigungen dieser Leute nicht stoppen. Schade eigentlich, und unnötig. 

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